Staat zahlt verspätet
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Staat zahlt verspätet
von zazikilover am 08.06.2010 11:13Griechenlands finanzielle Lage bleibt trotz milliardenschwerer Hilfskredite der EU und des Internationalen Währungsfonds prekär. Zwar trägt das rigorose Sparprogramm erste Früchte. Die Steuereinnahmen bleiben aber bisher hinter den Erwartungen zurück. Und Athens Finanzminister Giorgos Papakonstantinou sitzt überdies auf einem Berg unbezahlter Rechnungen.
ATHEN. In den ersten fünf Monaten 2010 hat Griechenland das Haushaltsdefizit gegenüber dem Vorjahreszeitraum um rund 40 Prozent reduzieren können. Papakonstantinou übertraf damit sogar noch die Vorgaben von EU und Internationalem Währungsfonds (IWF), die für das Gesamtjahr einen Defizitabbau von 35,1 Prozent verlangen. Der Finanzminister ist zuversichtlich: „Wir werden unser Ziel erreichen.“
Bei näherem Hinsehen ergibt sich aber ein durchwachsenes Bild. Während die Regierung bei den Ausgaben mit Einsparungen von 8,1 Prozent weit über Plan (4,8 Prozent) liegt, bleiben die Steuereinnahmen hinter den Schätzungen zurück. Sie stiegen um acht Prozent, angesetzt waren aber fast zwölf Prozent. So kamen in den ersten fünf Monaten fast 700 Mio. Euro weniger in die Kasse als erwartet.
Der Fehlbetrag ist vor allem ein Ergebnis der Rezession. Im ersten Quartal ging die Wirtschaftsleistung um 2,3 Prozent zurück, für das Gesamtjahr erwarten unabhängige Volkswirte ein Minus von rund vier Prozent. Der Abschwung drückt das Aufkommen bei der Mehrwert- und der Körperschaftsteuer. Die drastisch erhöhten Verbrauchsteuern auf Benzin, Tabak und Alkoholika fließen ebenfalls spärlicher als erwartet, weil viele Griechen wegen der Preiserhöhungen das Auto stehen lassen, weniger rauchen und trinken. Auch der Kampf gegen die grassierende Steuerhinterziehung hat bisher nicht die erhofften Erfolge gebracht.
Dabei sind die Haushaltszahlen sogar noch geschönt. Denn um die Kasse zu schonen, hat das Finanzministerium die Mehrwertsteuer-Erstattungen für die Unternehmen bis Ende September praktisch gestoppt. Finanzminister Papakonstantinou bestreitet zwar, dass es eine generelle Sperre gebe: Die Mehrwertsteuer werde erstattet, allerdings erst nach vorheriger Steuerprüfung – die freilich Monate dauern kann.
Nach Berechnungen des griechischen Groß- und Einzelhandelsverbandes ESEE schuldet der Staat den Unternehmen mittlerweile rund eine Mrd. Euro. Einen Vorschlag des Verbandes, die ausstehenden Erstattungen mit Steuerforderungen des Fiskus zu verrechnen, wies der Minister zurück. Durch die zurückgehaltenen Erstattungen kämen zahlreiche Klein- und Mittelbetriebe in ernste Liquiditätsengpässe und seien vom Bankrott bedroht, fürchtet Giorgos Kassimatis, Präsident des Verbandes der griechischen Handelskammern.
Griechenlands Finanzminister schuldet nicht nur Mehrwertsteuer. Der Staat steht bei der Wirtschaft mit rund zehn Mrd. Euro in der Kreide. Rund sechs Mrd. entfallen auf Schulden staatlicher Krankenhäuser bei Pharma- und Medizintechniklieferanten. Auf rund 100 Mio. Euro belaufen sich die Forderungen griechischer und ausländischer Medienunternehmen für geschaltete, aber bis heute nicht bezahlte Anzeigen und Werbespots der staatlichen Fremdenverkehrsorganisation EOT. Und rund 1,6 Mrd. Euro schuldet der Staat griechischen und ausländischen Bauunternehmen. Einige der unbezahlten Rechnungen betreffen sogar noch Bauten für die Olympischen Spiele 2004.
Quelle: http://www.handelsblatt.com/politik/international/griechenland-staat-zahlt-verspaetet;2596585