Im Gespräch: Investor George Soros „Wir haben uns nicht gegen den Euro verschworen“

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zazikilover
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Im Gespräch: Investor George Soros „Wir haben uns nicht gegen den Euro verschworen“

von zazikilover am 30.06.2010 12:32

George Soros gilt als berüchtigter Spekulant. Mit der Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung plaudert er über Geheimtreffen der Hedge-Fonds, den Angriff auf den Euro und die Moral der Zocker.

George Soros
30. Juni 2010

Der Hedge-Fonds-Manager George Soros zwang 1992 einst die Bank of England durch Spekulationen gegen das Pfund zur Abwertung. Das hat ihn berühmt gemacht. Mittlerweile möchte er lieber als ökonomischer Denker anerkannt werden. Jüngst gründete der 79-Jährige das „Institut für neues ökonomisches Denken“, das die Volkswirtschaftslehre mit Hilfe von Nobelpreisträgern auf neue, noch zu erforschende Grundlagen stellen soll.
Herr Soros, ich bekomme bitte 280 Euro von Ihnen.

280 Euro? Warum?
Das ist mein Anteil am Rettungspaket für Griechenland, das die Politiker beschlossen haben - und sie taten das, nachdem Sie gegen den Euro spekuliert haben.

Tatsächlich sind die Zentralbanken auf der ganzen Welt die größten Euro-Spekulanten. Die Hedge-Fonds haben nur versucht, sich darauf einzurichten, dass die Zentralbanken das Vertrauen in den Euro verlieren würden. Und vergessen Sie nicht: Sie bekommen fünf Prozent Zinsen auf Ihr Geld...
...falls wir überhaupt je etwas zurückbekommen.
Ja. Aber fünf Prozent sind mehr, als Sie bei der EZB bekommen. Deshalb können Sie nicht sagen, das sei ein Geschenk - und erst recht nicht, es sei für Griechenland. Sie haben damit doch nur Ihre eigenen Banken herausgehauen, die Griechenland mit Krediten versorgt haben.
Das Paket gab es aber erst, als der Euro abgesackt ist. Damals haben sich Ihr Hedge-Fonds und andere im Geheimen getroffen, um über die Euro-Schwäche zu diskutieren. Da haben Sie doch einen Angriff auf den Euro ausgeheckt.

Das haben wir nicht. Ich war nicht dort, nur ein Mitarbeiter aus meiner Firma. Er sagt mir: Das war nicht etwa ein Geheimtreffen, sondern fand öffentlich in einem Restaurant statt. Solche Treffen gibt es jeden Tag. Bei diesem Essen ging es nur drei Minuten um den Euro. Dazu sagte ein Teilnehmer, der nicht aus meiner Firma stammte: Der Euro wird auf den Dollarkurs eins zu eins gehen. Dieser Satz wurde dann aufgeblasen. In der Zeitung stand ein großer Artikel mit meinem Foto. Deshalb glauben Sie jetzt, ich hätte mich gegen den Euro verschworen. Doch das ist nur eine Illusion, die das „Wall Street Journal“ geschaffen hat, um Zeitungen zu verkaufen.
Auch Sie persönlich reden ständig den Euro runter.

Die Frage ist doch: Sage ich damit die Wahrheit, oder verzerre ich sie? Ich habe versucht, Europa vor Fehlern zu warnen - Fehler können derzeit nämlich schwerwiegende Konsequenzen haben. Ich glaube, ich verstehe etwas von Finanzmärkten und Währungen. Wenn ich jetzt öffentlich spreche, vertrete ich das öffentliche Interesse, sogar wenn das meinem eigenen Interesse als Hedge-Fonds-Manager widerspricht. Zum Beispiel plädiere ich für eine strengere Regulierung von Hedge-Fonds.
Spekulieren Sie derzeit gegen den Euro?

Wie mein Fonds gerade investiert, tut überhaupt nichts zur Sache. Ich werde nicht von meinem eigenen Interesse geleitet. Ich bin sehr daran interessiert, den Euro und die Europäische Union zu erhalten.
Mit Ihrer Schwarzmalerei bringen Sie die Eurozone noch tiefer in die Krise - das sagt sogar eine Markttheorie, die Sie selbst aufgestellt haben.

Das kann schon sein. Aber ich glaube eben, dass der Euro in einer Krise steckt. Und diese Krise wird in Ihrem Land missverstanden. Ihre Rettungsmaßnahmen bringen den Euro sogar in größere Gefahr.
Die Politiker sagen, sie retten den Euro nur aus dem Schlamassel, das Spekulanten wie Sie angerichtet haben.

Die europäischen Regierungen bringen den Euro mit ihren Handlungen aber in Gefahr - das versteht die deutsche Öffentlichkeit nicht. Und jetzt greifen sie den Boten der schlechten Nachricht an. Ohne es zu wollen, drücken sie dem Rest Europas ihr Wesen auf. Ihre Politik ist ja auch gut, um Deutschland auf dem Weltmarkt konkurrenzfähiger zu machen. Aber sie drückt den Rest Europas in eine Deflationsspirale, in der die Preise immer weiter fallen und die Wirtschaft nicht wieder auf die Beine kommt. Diese Politik steigert Arbeitslosigkeit und Schuldenlast.
Das mag ja sein. Finden Sie es gerechtfertigt, daran Geld zu verdienen, indem man spekuliert?

Es ist jederzeit völlig in Ordnung, wenn man mit seiner Firma Geld verdienen will. Das ist die legitime Rolle von Firmen. Und...nein, das reicht als Antwort auf diese Frage.
Ich würde darüber aber gern weitersprechen. In Griechenland, in Spanien - überall geht es Menschen schlecht, weil die Staaten sparen müssen. Spekulanten verdienen daran. Ist das in Ordnung?

Über diese Antwort muss ich ein bisschen nachdenken . . . Ich kann die Leute gut verstehen, die das nicht mögen. Es ist eben so: In turbulenten Zeiten gibt es Leute, die Glück haben und profitieren, während die Mehrheit leidet. Darüber ärgert sich die Mehrheit verständlicherweise - vor allem, wenn das Problem so schwer zu verstehen ist wie jetzt. In solchen Situationen müssen bessere Regeln geschaffen werden. Es ist nämlich schon in Ordnung, Geld zu verdienen, wenn man sich an die Regeln hält.
Regeln können nie perfekt sein. Da muss man sich manchmal einfach selbst zurückhalten.

Das tue ich manchmal - weil es mir wichtiger ist, als Bürger an der öffentlichen Diskussion teilzunehmen. Ich habe genug Geld verdient. Jetzt plädiere ich als Bürger für einen besseren Umgang mit der Krise. Da bin ich natürlich in einer schwierigen Situation, weil ich Hedge-Fonds-Manager bin...
...und zwar ein berüchtigter: 1992 haben Sie eine Milliarde Dollar verdient, indem Sie die englische Notenbank zur Abwertung des Pfunds gezwungen haben.

Deshalb bin ich jetzt ein beliebtes Ziel der Kritik. Aber Europa ist mir wirklich wichtig - so wichtig, dass ich aufstehe und sage: Ihr macht etwas falsch. Weil ich das als Finanzmarkt-Experte erkenne. Ich hoffe, dass meine Argumente an ihrem Inhalt beurteilt und nicht von vornherein als schändliche Verschwörung abgetan werden.
Dann lassen Sie uns über Ihre Argumente sprechen. Glauben Sie, es wird den Euro in fünf Jahren noch in der heutigen Form geben?

Nein. Die Regeln müssen auf Dauer geändert werden. Der Euro ist ein fehlerhaftes Konstrukt. Ich glaube, seine Väter wussten das auch.
Sie wollen sagen, die Europäer hätten bewusst eine fehlerhafte Währung geschaffen?

So ist die Europäische Union schon gegründet worden: Man hat immer einen Schritt gemacht, auch wenn der nicht perfekt war. Und wenn der nächste Schritt nötig wurde, haben die Europäer den politischen Willen dafür auch zusammengebracht. So sollte auch der Euro ein Schritt auf dem Weg zu einer gemeinsamen Haushaltspolitik sein. Aber der Einigungsprozess hat angehalten, Deutschland und Frankreich sind sich nicht einig, und Sie sind in einer unvollkommenen Situation gefangen. Das zeigt sich daran, wie weit Europa von den Maastricht-Kriterien weg ist...
..also den Obergrenzen für die Schulden in der Eurozone...

Jetzt probieren Sie, den Maastricht-Vertrag wieder durchzusetzen. Aber es ist die falsche Zeit dafür. Die Maastricht-Kriterien hätte man vor ein paar Jahren durchsetzen sollen - oder wieder in ein paar Jahren, wenn die Zeit besser ist.
Sie wollen, dass wir jetzt noch mehr Schulden machen - das heißt, Sie halten auch das deutsche Sparpaket für falsch?

Das ist es tatsächlich. Die anderen europäischen Länder müssen mit Deutschland konkurrieren können. Wenn aber Deutschland jetzt spart, müssen die anderen noch mehr sparen - und das drückt sie noch tiefer in die Deflation.
Der Ökonom Jagdish Bhagwati sagt: Manche Länder müssen jetzt Diät halten. Da hilft es auch nicht, wenn Deutschland mehr isst.

Doch - wenn das Gewicht im Vergleich mit Deutschland gemessen wird. Die Deutschen zwingen andere Staaten zu Einschränkungen, die die deutschen noch übersteigen.
Weil die Deutschen so den Euro stärken und ein starker Euro schlecht für die Konjunktur ist?

Damit hat das nichts zu tun. Das Problem sind die Ungleichgewichte innerhalb der Eurozone. Da ist Deutschland sehr konkurrenzfähig geworden, die anderen weniger. Das muss sich ausgleichen. Dazu ist normalerweise der Wechselkurs der effizienteste Weg. Den gibt es jetzt nicht. Also bleibt nur der schmerzhafte Weg, Löhne und Preise zu senken. Das erzeugt Deflation. Und wenn Deutschland spart, vergrößern Sie die Deflation in anderen Staaten.
Aber Deutschland hat hohe Schulden.

Sie brauchen jetzt eine Politik der zwei Phasen: Zuerst müssen Sie die Balance im Euroraum wiederherstellen, dann können Sie den Euro umbauen und sparen.
Der Hedge-Fonds-Manager George Soros wurde 1992 berühmt. Damals zwang er die englische Notenbank in die Knie. Er fand das Pfund zu stark angesichts einer schwachen Wirtschaft. Doch die Briten hatten sich verpflichtet, den Kurs zu anderen europäischen Währungen in einer engen Spanne zu halten. Am Ende wertete das Pfund ab, Soros verdiente eine Milliarde Dollar.

Inzwischen hat er viel Geld gestiftet. Und er möchte als ökonomischer Denker anerkannt werden. Jüngst gründete der 79-Jährige das „Institut für neues ökonomisches Denken“, das die Volkswirtschaftslehre mit Hilfe von Nobelpreisträgern auf neue, noch zu erforschende Grundlagen stellen soll. In Budapest stiftete er Geld für eine Universität - eine Vortragsreihe von dort ist als Buch erschienen (“Der Blick geht nach vorn“)

Jetzt hat Soros eine Medienkampagne gestartet, um die Deutschen vom Geldausgeben zu überzeugen. „Stellen Sie mich nicht vor, mich kennt sowieso jeder“, bittet er nach dem Interview. „Nehmen Sie den Platz lieber für meine Argumente. Die Deutschen verstehen noch nicht, dass ihre sparsame Politik für den Rest Europas schlecht ist.“ Wie sich diese Politik auf seinen Spekulationsgewinn auswirkt, bleibt unklar.

Quelle: http://www.faz.net/s/Rub645F7F43865344D198A672E313F3D2C3/Doc~E83D0954DBC0D452C9964291CEB2823DB~ATpl~Ecommon~Scontent.html

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