Hellenen wissen nicht mehr weiter.

[ Nach unten  |  Zum letzten Beitrag  |  Thema abonnieren  |  Neueste Beiträge zuerst ]


pattanja

56, Männlich

Beiträge: 11

Hellenen wissen nicht mehr weiter.

von pattanja am 07.06.2010 10:58

Hellenen wissen nicht mehr weiter
Griechenland Die Wut richtet sich gegen die Politiker – Junge Leute denken über Auswanderung nach




In Griechenland kehrt nach den Ausschreitungen Anfang Mai keine Ruhe ein. Bei vielen wird das Geld knapp.

von Ferry Batzoglou


Athen - Angeliki Papathanasopoulou (32), Paraskewi Zoulia (35), Nontas Tsakalis (36). Die Namen der drei Bankangestellten der Filiale des griechischen Geldinstituts Marfin Bank in der zentralen Athener Stadiou-Straße mit der Hausnummer 23 haben sich seit dem 5. Mai tief in das Gedächtnis der elf Millionen Griechen eingeprägt. Die Marfin-Angestellten starben binnen weniger Minuten an ihrem Arbeitsplatz an einer Rauchvergiftung. Besonders tragisch: Angeliki Papathanasopoulou war im vierten Monat schwanger.

Eingeatmet hatten sie die toxischen Gase, nachdem auf dem Höhepunkt einer Massendemonstration gegen ein gigantisches Sparpaket der griechischen Regierung zur Vermeidung des drohenden Staatsbankrotts eine kleine Gruppe von Vermummten die Bankfiliale in der Athener Innenstadt blitzschnell in Brand gesteckt hatte.


Nichts ist mehr wie vorher
Die Brandstifter trugen nicht nur Chirurgenhandschuhe, um keine Fingerabdrücke zu hinterlassen. Obendrein hatten sie sich zuvor vergewissert, dass sich im Geldinstitut Beschäftigte befanden. Zum Verhängnis wurde es den Opfern, dass die in einem neoklassizistischen Gebäude untergebrachte Bankfiliale weder über eine Feuer- und Brandsicherung noch einen Notausgang verfügte.

Seither ist im seit Monaten von der schwersten Wirtschafts- und Finanzkrise der Nachkriegszeit gebeutelten Hellas nichts mehr wie vorher. Denn noch nie waren zu Füßen der Akropolis zuvor Todesopfer bei Protesten zu beklagen. So zynisch es klingen mag: Nicht auszudenken, wären am 5. Mai nicht Unbeteiligte, sondern Protestler von der omnipräsenten Polizei getötet worden.

Nichtsdestotrotz: Wer glaubt, dass nunmehr die Vier-Millionen-Metropole in eine Art Schockstarre verfallen würde, der irrt gewaltig. Zu groß ist die Wut der Griechen. Die Empörung der Menschen richtet sich vornehmlich gegen die als korrupt gescholtenen Politiker, die nach überwiegender Ansicht das Mittelmeer-Land in diese desolate Lage manövriert hätten.


Neues Kapitel geschrieben
So denkt auch Kostas Sideropoulos. Für die Aussicht von der Dachterrasse im achten Stock schwärmt der Grieche jedenfalls auch noch nach sechs Monaten. Der 27-jährige Kellner arbeitet seit einem halben Jahr im Athener Nobel-Hotel Grande Bretagne – von hier oben zeigt sich die Pracht der Stadt: Das Parlamentsgebäude aus dem 19. Jahrhundert, das Panathinaikon-Stadion, in dem 1896 die ersten Olympischen Spiele der Neuzeit gefeiert wurden, die Akropolis. Eine Aussicht, wie für eine Geschichtsstunde über Griechenland gemacht – und Kostas Sideropoulos weiß, dass vor ein paar Wochen ausgerechnet in einem der Konferenzräume des Grande Bretagne an einem neuen Kapitel Griechenlands geschrieben wurde.

Da führten Vertreter des Internationalen Währungsfonds, der Europäischen Zentralbank und der EU-Kommission mit der griechischen Regierung die Verhandlungen über das besagte Sparpaket. Es verlangt von den Griechen wie Sideropoulos in den kommenden Jahren große Opfer. „Ich verdiene rund 900 Euro netto pro Monat, wohne zur Miete in einer schlechten Athener Wohngegend unweit des Omonia-Platzes. Ich komme bereits jetzt kaum über die Runden – erst recht in Athen, wo die Lebenshaltungskosten viel höher als im übrigen Griechenland sind“, sagt er.



ANZEIGE
Mit seiner Freundin könne er nur selten mal ausgehen – weil das Geld zu knapp sei. Ob er in naher Zukunft ans Heiraten denke, eine Familie gründen wolle? „Das kann ich mir gar nicht leisten. Ich habe einige Verwandte im Ausland. Obwohl ich mein Land nicht verlassen möchte: Vielleicht bleibt mir bald keine andere Wahl mehr.“ Und Kostas Sideropoulos ist sich ganz sicher: „Die sind schuld“, sagt er und deutet mit seiner linken Hand auf das Parlament.


Griechen haben keine Wahl
Maria Koukis sitzt in einem Café im gutbürgerlichen Athener Vorort Aghia Paraskewi. Die 46-jährige Gymnasiallehrerin für Neugriechisch schaut auf ihre Uhr. „Die Kinder kommen gleich von der Nachhilfeschule. Da muss ich zu Hause sein.“ In Griechenland besuchen fast alle Kinder Nachhilfeschulen oder nehmen Privatunterricht. Sie sind bestrebt, ihre Schulleistungen so weit zu verbessern, um später einmal einen Wunsch-Studienplatz zu ergattern.

Was für Marias Kinder reichlich zeitaufwendig ist, kommt der fürsorglichen Mutter teuer zu stehen. „Das kostet mich pro Kind 5000 Euro im Jahr. Wie soll ich das bezahlen, wenn mir nun das Gehalt gekürzt wird?“ Für die Beamtin führt das jüngste Sparpaket der Regierung zu Einkommenseinbußen in Höhe von rund 2800 Euro pro Jahr. „Das sind in meinem Fall etwa zwei Netto-Monatsgehälter.“ Trotz der harten Einschnitte für Griechenlands Staatsdiener sagt sie mit fester Stimme: „Wir Griechen haben keine andere Wahl. Wir müssen unser Land retten.“

Petros Christodoulou kann hingegen wohl nur noch ein Wunder retten. Er ist Inhaber eines Schuhwarengeschäfts in Piräus. „Die Leute sind völlig verunsichert. Sie geben nur noch für das Nötigste Geld aus. So eine Flaute habe ich in den 30 Jahren seit der Ladeneröffnung nicht erlebt.“ Der 58-Jährige könne nicht einmal mehr die Kosten für sein Geschäft decken, das bis vor dem Ausbruch der Krise noch florierte. „Wäre ich jünger, würde ich auswandern. Dafür bin ich jetzt aber zu alt.“

sind am Donnerstag für 24 Stunden die Journalisten in den Streik getreten. Im Radio und Fernsehen gab es seit 6 Uhr Ortszeit keine Nachrichten mehr. Zudem gab es am Freitag keine Zeitungen.

protestierten gegen das Sparprogramm der Regierung.

beteiligten sich auch Bus- und U-Bahnfahrer in Athen und der Hafenstadt Thessaloniki.

müssen in den kommenden drei Jahren 30 Milliarden Euro sparen, um auf die Hilfe der Euroländer und des Internationalen Währungsfonds hoffen zu können.

Antworten

Kefalonitissa
Gelöschter Benutzer

Re: Hellenen wissen nicht mehr weiter.

von Kefalonitissa am 07.06.2010 18:40

Ja, es ist eine ganz, ganz schlimme Situation in Griechenland und ich glaube, dass die wenigsten Leute z.B. in Deutschland das wissen. Ich nenne nur einmal ein paar Beispiele:

In den letzten 2 Wochen haben wir mehrere Anrufe bekommen, wo Leute uns fragen, ob sie von uns (wir haben auf Kefalonia einige stremma Land) ein wenig Land mieten können, damit sie Obst und Gemüse anbauen können. Das gleiche hat uns ein Freund aus Serres erzählt. Die Leute (aus den Städten) suchen dringend nach kleinen Gärten, um Gemüse und Obst für den Eigenverbrauch zu pflanzen.

Immer mehr Leuten haben Angst, dass ihr Geld auf den griechischen Banken verloren geht und wollen es daher auf eine ausländische Bank bringen. Ich habe Verständnis für diese Angst, aber es ist genau das Falsche. Somit versetzt man den griechischen Banken den Todesstoß und stößt sie erst recht in den Abgrund.

Die Kriminalität steigt. In Argostoli wurde eine Frau wegen 100 Euro (!) umgebracht. Wir haben bis jetzt eigentlich kaum Kriminalität auf Kefalonia gehabt und jetzt passiert so etwas und dazu kommt noch ein Hauseinbruch nach dem anderen. Es ist beängstigend! Ein Freund meines Sohnes, der in der Nähe von Drama wohnt, hat uns erzählt, dass auch dort die Wohnungseinbrüche immer weiter ansteigen und die Diebe klauen nicht unbedingt Elektrogeräte etc., sondern sie stehlen Essen!! In einem kleinen Dorf in seiner Nähe hat man in einem Haus ALLES Essbare gestohlen. Wie verzweifelt müssen die Menschen sein?

Auswandern als letzte Möglichkeit? Ja, so viele sprechen wieder davon. Aber ich bezweifle, ob alle wirklich wissen, wie es in anderen Ländern ist. Über die Zustände z.B. in Deutschland, in Österreich, in Schweden etc. herrschen total falsche Vorstellungen vor. Auch diese Länder sind längst kein Paradies mehr.

Ich denke, dass der kommende Herbst sehr "heiss" in Griechenland werden wird. Und damit meine ich nicht das Wetter, sondern soziale Unruhen! Denn auch in Griechenland ist es so, wie in anderen Ländern. Den "kleinen, einfachen" Bürgern wird alles weggenommen. Und die, die über Jahrzehnte das Land bestohlen und betrogen haben, werden auch weiterhin ein schönes Leben führen können. Okay, vielleicht muß der eine oder andere jetzt seinen Porsche verkaufen oder statt zwei Villen am Meer hat er jetzt nur noch eine, aber das ist alles nichts im Vergleich zu dem, was jetzt mit dem einfachen griechischen Bürger passiert. Der wird nämlich in Kürze um seine nackte Existenz kämpfen!!

Antworten

« zurück zum Forum