Merkel verteidigt Griechenland-Hilfen "Europa steht am Scheideweg"

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zazikilover
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Merkel verteidigt Griechenland-Hilfen "Europa steht am Scheideweg"

von zazikilover am 05.05.2010 10:54


Berlin (RPO). Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) hat das milliardenschwere Rettungspaket für Griechenland als alternativlos verteidigt. "Es geht um nicht mehr und nicht weniger als um die Zukunft Europas und damit um die Zukunft Deutschlands in Europa", sagte Merkel am Mittwoch in ihrer Regierungserklärung im Bundestag in Berlin.
"Europa steht am Scheideweg", sagte die Kanzlerin. Schließlich gebe es in dem vom Staatsbankrott bedrohten Griechenland eine historisch einmalige "Notsituation", die drastische Auswirkungen auf die Stabilität des gesamten Euroraumes haben könnte. "Wir schützen also unsere Währung, wenn wir jetzt handeln."
Das Hilfspaket sieht Bürgschaften für Kredite der staatlichen Förderbank KfW an Griechenland in Höhe von 22,4 Milliarden für die kommenden drei Jahre vor. Sie sind Teil eines Hilfsprogramms im Umfang von insgesamt 110 Milliarden Euro, wovon 80 Milliarden auf die Euro-Zone entfallen. Den Rest übernimmt der Internationale Währungsfonds. Deutschland schultert innerhalb der Euro-Zone den größten Anteil - 8,4 Milliarden Euro in diesem Jahr und zusammengenommen weitere 14 Milliarden in 2011 und 2012.

Merkel rief dazu auf, rasch den Gesetzentwurf zu verabschieden. Die Milliardenhilfen seien von "enormer Tragweite für Deutschland und Europa". Bereits am Freitag soll das Gesetz im Bundestag verabschiedet werden und noch am gleichen Tag den Bundesrat passieren.
Kanzlerin: Die richtigen Lehren ziehen
Die Kanzlerin mahnte zugleich, Europa müsse die richtigen Lehren aus der Griechenland-Krise ziehen. Es gehe darum, die Stabilität des Euro langfristig zu sichern. Eine Situation wie die jetzige dürfe sich nicht wiederholen.
"Europa steht am Scheideweg", betonte Merkel. In der Vergangenheit habe man in Europa zu oft nach dem Motto gehandelt, es werde schon alles gut gehen, und habe deshalb zu wenig eingegriffen. "Gut gemeint war nicht immer gut gemacht." Nun müsse ein Weg der "Klarheit", "Offenheit" und "Schonungslosigkeit" eingeschlagen werden.

Die Kanzlerin plädierte für eine stärkere Regulierung des Euro-Raums. Es müsse schärfere und straffere Sanktionen bei Verstößen gegen den Stabilitätspakt geben. Dazu gehörten auch die Suspendierung von Mitteln aus dem EU-Haushalt und der vorübergehende Stimmentzug für "notorische Defizitsünder". Außerdem müsse ein Verfahren für die geordnete Insolvenz von EU-Staaten entwickelt werden.
EU-Vertragsänderungen seien vermutlich unumgänglich, sagte Merkel. Auch wenn dieser Weg "mühselig" werde, sei sie fest entschlossen, ihn zu gehen. "Deutschland kommt in dieser Lage eine besondere Verantwortung zu und Deutschland nimmt diese Verantwortung wahr."

Steinmeier wartet weiter ab
SPD-Fraktionschef Frank-Walter Steinmeier lässt derweil die Zustimmung zu den Notkrediten weiter offen. "Das war keine Werbung für eine breite Zustimmung hier im Parlament", sagte Steinmeier am Mittwoch im Bundestag zu der Regierungserklärung der Kanzlerin. "Das ist keine Antwortung auf die Bedrohung, erst recht keine angemessene."

Seine Fraktion werde "einer nackten Kreditermächtigung" nicht zustimmen, sagte Steinmeier. Er warf der Kanzlerin und Vize-Kanzler Guido Westerwelle mangelnde Führung in der Griechenland-Krise vor. Die Bundesregierung habe zu spät und zu zögerlich gehandelt und damit Deutschland viel Ansehen in Europa verspielt.
"Das europäische Rettungspaket muss sein, der Beitrag Deutschlands auch", sagte Steinmeier. In einer gemeinsamen Entschließung zur Finanzmarktregulierung müsse jedoch die Transaktionsteuer enthalten sein, die die Koalition bislang ablehnt, sagte der SPD-Politiker. Es wäre gut, wenn die Parteien bei einer Entscheidung von solcher Tragweite "nicht Galaxien und Lichtjahre" voneinander entfernt wären, so Steinmeier.
FDP: Sanktionen unausweichlich
FDP-Fraktionschefin Birgit Homburger hält schärfere Sanktionen innerhalb des Euro-Raums für unausweichlich. Europa dürfe nicht länger zusehen, wie "getrickst und getäuscht" werde, sagte Homburger im Bundestag. Sie plädierte unter anderem für mehr Kompetenzen der europäischen Statistikbehörde Eurostat und des europäischen Rechnungshofes, um die Staatsfinanzen besser zu kontrollieren. Nötig sei ein "Frühwarnsystem".

Homburger sprach sich außerdem dafür aus, den Stabilitätspakt zu schärfen und neue Sanktionsmechanismen einzubauen. Die bisherigen Instrumente reichten nicht aus. Deshalb müssten für Haushaltssünder auch eine Sperrung von EU-Mitteln und ein Entzug der Stimmrechte möglich sein. Ebenso müsse ein geordnetes Insolvenzverfahren für EU-Staaten entwickelt werden.

Die FDP-Politikerin bezeichnete die Griechenland-Krise als "Bewährungsprobe für die Euro-Zone". Mit dem Rettungspaket für das Mittelmeerland baue die Bundesregierung eine "Brandmauer" auf, damit kein Flächenbrand entstehe. "Wir spannen einen Schutzschirm für den Euro." Kritik aus der Opposition, die Regierung habe zögerlich gehandelt und dadurch die Kosten der Krise in die Höhe getrieben, wies Homburger zurück. "Schwierige Situationen bewältigt man mit Besonnenheit und eben nicht mit Aktionismus", sagte sie.
Linke lehnt Paket ab
Die Linke lehnt nach den Worten von Bundestagsfraktionschef Gregor Gysi das deutsche Hilfspaket strikt ab. Damit werde letztlich nur wieder massiv Geld in Hände von Spekulanten gespült, sagte Gysi in Berlin. Erneut werde nicht der Finanzmarkt reguliert, sondern es würden vielmehr Kredite durch den Staat verbürgt, mit deren Zinsen Privatbanken verdienten. Gysi warf der Bundesregierung vor, nichts aus der internationalen Finanzkrise gelernt zu haben.
Derweil wird sich die Schuldenkrise in Europa nach Einschätzung der EU-Kommission in diesem Jahr noch verschärfen. Laut der am Mittwoch in Brüssel veröffentlichten Frühjahrs-Konjunkturprognose der Kommission steigen die Staatsdefizite in den 27 EU-Staaten 2010 auf den Rekordstand von durchschnittlich 7,2 Prozent des Bruttoinlandsprodukts (BIP). Das sind gut vier Prozentpunkte über dem EU-Höchstwert von drei Prozent. In den Euro-Ländern wächst das Defizit demnach auf durchschnittlich 6,6 Prozent. Zugleich steigt auch die Gesamtverschuldung deutlich an.
Die wirtschaftliche Erholung gehe in Europa sehr viel langsamer voran als bei früheren Aufschwüngen, heißt es in dem Bericht. "Wie andere Industrienationen auch wird die EU noch lange mit den Folgen der Krise zu kämpfen haben", heißt es. In diesem Jahr rechnet die Kommission in der EU mit einem schwachen Wachstum von einem Prozent, im kommenden Jahr mit 1,75 Prozent.




quelle: http://www.rp-online.de/wirtschaft/eurokrise/Europa-steht-am-Scheideweg_aid_853258.html

Antworten Zuletzt bearbeitet am 05.05.2010 10:58.

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