EU fordert stärkere Sparanstrengungen von Griechenland
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EU fordert stärkere Sparanstrengungen von Griechenland
von zazikilover am 18.01.2010 11:43Der neue Sparplan der griechischen Regierung stößt in der EU auf Skepsis. Finanzministern gehen die Bemühungen des griechischen Staates nicht weit genug, sie verlangen eine Reform der Haushaltsstatistik. Indes hat sich überall im Land Widerstand gegen die staatlichen Sparabsichten formiert.
BRÜSSEL. Die im Haushaltsentwurf 2010 angekündigten Sanierungsmaßnahmen würden noch nicht ausreichen, sagte Luxemburgs Regierungschef Jean-Claude Juncker, der die Gruppe der Euro-Finanzminister leitet. Griechenland bewege sich zwar jetzt "in die richtige Richtung, aber es muss zusätzliche Ausgabenkürzungen und Einnahmenerhöhungen geben", sagte Juncker, den die Eurogruppe bei ihrer Sitzung Montagabend für weitere zweieinhalb Jahre als Vorsitzenden bestätigen will.
Griechenland hatte Ende vergangener Woche seinen dringend erwarteten Sparplan in Brüssel eingereicht. Demnach soll die Neuverschuldung, die vergangenes Jahr auf 12,7 Prozent des Bruttoinlandsprodukts (BIP) nach oben geschnellt war, bis 2012 wieder unter den EU-Höchstwert von drei Prozent des BIPs sinken. Das Programm sieht unter anderem vor, die Etats aller Ministerien pauschal um zehn Prozent zu kürzen und die Gehälter im öffentlichen Dienst einzufrieren. Die Regierung will 3,7 Mrd. Euro einsparen. Mit Steuererhöhungen und Maßnahmen gegen die weit verbreitete Steuerhinterziehung will sie 7,3 Milliarden Euro zusätzlich einnehmen. Geplant ist insbesondere eine Erbschaftsteuerreform.
Das griechische Sparprogramm löste in Brüssel keine Begeisterungsstürme aus. Die EU-Kommission glaubt zwar mittlerweile an die Entschlossenheit des griechischen Finanzministers Giorgos Papakonstantinou, die Staatsfinanzen in Ordnung zu bringen. Doch es gibt weiterhin Zweifel, ob der Rest der griechischen Regierung den Minister tatsächlich unterstützt.
Massendemonstrationen gegen Sparmaßnahmen angekündigt
Denn überall im Land formiert sich massiver Widerstand gegen die staatlichen Sparabsichten. Die griechischen Gewerkschaften kündigten bereits Massendemonstrationen für Februar an. Die griechischen Bauern errichteten am Wochenende Straßenblockaden aus Protest gegen die Kürzung von Agrarsubventionen.
Führende Vertreter der Europäischen Währungsunion bekräftigten, dass die Regierung in Athen ihre Schuldenprobleme alleine bewältigen müsse. Andere Euro-Staaten würden Griechenland nicht zur Hilfe kommen, sagte Juncker. EZB-Chef Jean-Claude Trichet schloss Liquiditätshilfen der Europäischen Zentralbank für Griechenland aus.
Der EU-Finanzministerrat will Griechenland am Dienstag auffordern, seine Haushaltsstatistik so schnell wie möglich in Ordnung zu bringen. Die griechische Statistik ist in Verruf geraten, seitdem die Regierung die Defizitquoten für 2008 und 2009 quasi über Nacht drastisch nach oben korrigiert hatte. Griechenland solle bis Februar einen Plan zur "Beseitigung der statistischen, institutionellen und Regierungsunzulänglichkeiten" vorlegen, heißt es in einer Erklärung der Finanzminister, die beim Ecofin-Rat am Dienstag beschlossen werden soll.
Finanzminister Papakonstantinou soll das griechische Staatsdefizit bis 2012 wieder unter die Schwelle von drei Prozent drücken. Quelle: ap
Quelle:http://www.handelsblatt.com/politik/konjunktur-nachrichten/drohende-staatsbankrott-eu-fordert-staerkere-sparanstrengungen-von-griechenland;2514203
Kefalonitissa
Gelöschter Benutzer
Re: EU fordert stärkere Sparanstrengungen von Griechenland
von Kefalonitissa am 18.01.2010 12:22Auszug aus der Zeitung Junge Welt v. 15.01.2010
Griechenland ist überall
Überlebensdroge oder letzte Ölung? Staaten erzeugen Nachfrage auf Pump, um Kapitalismus zu retten. Risiken und Nebenwirkungen werden in Kauf genommen
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Nie zuvor in der Geschichte des Kapitalismus haben sich Staaten in so kurzer Zeitspanne dermaßen verschuldet wie seit Ausbruch der Weltwirtschaftskrise 2007. In der EU weisen Spanien, Großbritannien und Irland ein ähnlich hohes Defizit aus wie die klammen Hellenen. Die Verschuldung der USA ist gigantisch. Da scheint die BRD fast solide – obwohl Bund, Länder und Kommunen in den ersten drei Quartalen 2009 durch neue Kredite in Höhe von nahezu 100 Milliarden Euro das Defizit gegenüber dem Vorjahreszeitraum versechsfacht hatten.
Die Ursachen dieser Entwicklung sind zumindest in den Zentren des kapitalistischen Weltsystems vergleichbar. Die Rezession führte zu verminderten Steuereinnahmen, während hektische Maßnahmen zur Stabilisierung des Finanzsektors und Konjunkturprogramme die Ausgaben in die Höhe schnellen ließen. In den USA wurde allein zwischen Oktober und November 2009 ein Minus von nahezu 300 Milliarden US-Dollar registriert. Das Manko im abgelaufenen Haushaltsjahr 2008/2009 betrug rund 1400 Milliarden Dollar – bisher lag die annualisierte Rekordverschuldung des Landes bei etwa 400 Milliarden.
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An der Peripherie Europas sehen sich bereits einige Volkswirtschaften mit einem drohenden Staatsbankrott konfrontiert: Die Ukraine, Lettland, Ungarn, Rumänien, Serbien und Belarus mußten vom Internationalen Währungsfonds (IWF), der Weltbank und der EU-Kommission mit milliardenschweren Notkrediten vor drohender Zahlungsunfähigkeit bewahrt werden. Doch wie Griechenland zeigt, kommt die Krise flott voran.
Nun taumeln Staaten, die schon seit Jahrzehnten Mitglieder der EU sind. So mußte auch Spanien eine Herabstufung in Sachen Bonität hinnehmen. Im als superstabil geltenden Österreich sorgten Äußerungen des US-Ökonomen Kenneth Rogoff für Aufregung, denen zufolge die Alpenrepublik vom Bankrott bedroht sein könnte. Dortige Banken hatten viel Geld in Osteuropa ausgeliehen, Geld, das auf absehbare Zeit nur zum Teil oder gar nicht zurückgezahlt wird. Bei einer erneuten Verschärfung der Krise müßte Wien dafür bürgen. Auch Japan scheint nun an seinen gigantischen Schulden zu ersticken. Die Verbindlichkeiten der zweitgrößten Volkswirtschaft der Welt sollen in diesem Jahr 227 Prozent des BIP erreichen, die hauptsächlich gegenüber den eigenen Bürgern bestehen. Inzwischen ist jedoch die Sparquote der Bevölkerung von 14 Prozent des BIP 1990 auf nur noch zwei Prozent gefallen. Nachfragekapazität für weitere Staatsanleihen gibt es kaum noch.